Short stories

am liebsten mit einem Twist

Irmgard

Sie kam jede Woche einmal in den Laden. An unterschiedlichen Tagen, zu unterschiedlichen Zeiten, unterschiedlich lange. Sie kaufte Toilettenpapier. Das Günstige, für zwei fünfundneunzig. Die Alten mieden sie. Gerade einmal, dass sie sich herabließen, das Geld von ihr an der Kasse abzuhalten. Vielleicht war gerade das der Grund, mich für sie zu interessieren.

Ich will von ihr erzählen. Ihren Namen habe ich über die Jahre vergessen. Ich nenne sie Irmgard. Der Name gehörte einer Generation und Gegend an, in der verlorene blonde Wesen so gerufen wurden. Sie war nicht blond, hatte eher hellbraune Haare, wie ich an ihren Ansätzen ausmachen konnte, an den Schläfen bereits ergraut. Sie färbte sich die Haare meist in einem blaustichigen Rotton, der ihr allerdings nicht besonders stand. Ihre Aknenarben bekamen dadurch ein wundes Aussehen, was ihr jedoch eine nahbare und vertrauenswürdige Ausstrahlung verlieh. Ob sie verloren war, kann ich nicht einmal sagen.

Obwohl sie nur das Toilettenpapier kaufte, legte ich ihr beim Bezahlen regelmäßig einige Probepackungen Kosmetik dazu. Zum Leidwesen der Alten, die nur Kunden höheren Kassenlage mit derartigen Werbegeschenken bedachten. Für mich eine hervorragende Möglichkeit, gegen die herrschende Klassengesellschaft zu rebellieren. Ein magerer Beitrag, wie ich zugeben muss.

Irmgard wurde einmal Zeuge, als ich den Unmut der Alten zu spüren bekam und wie ich ihm mit jugendlicher Frechheit konterte. Als sie das nächste Mal in den Laden kam, wehrte sie die Creme-Sachtes ab und lud mich stattdessen zu einem Besuch bei sich ein. Falls ich Zeit hätte, wie sie anfügte. Ich hatte eine Menge Zeit. Jeden Mittag zweieinhalb Stunden, in denen das Geschäft geschlossen wurde. Meist trieb ich mich in Kaufhäuser der Innenstadt herum. Hin und wieder besuchte ich den Mittagstisch der nahegelegenen Mädchenschule für Hauswirtschaft. Hatten die Alten seinerzeit für mich organisiert. In diesem Fall war mein Tag in vollem Umfang nachvollziehbar und kontrollierbar. Ich lernte zu lügen und ging lieber unkontrollierbar auf Wanderschaft.

Privat eingeladen zu werden war eine willkommene Abwechslung. Irmgard nannte mir ihre Adresse. Ich kannte mich gut aus. Es war nicht allzu weit. Ein Mehrfamilienhaus. Sie wohnte in einem Einzimmerappartement im Souterrain. Mittags wurde es leidlich hell. Das Zimmer war nicht klein. Ihren Wohnbereich, mit einem Tisch, dem Stuhl und einer Bank, wurde von einem antiken Schrank mit blassgelben Keramikfliesen abgetrennt. Hinter dem Schrank lag ihre Schlafstätte. Ein Türbrett ohne Klinke, mit einer Wolldecke und einem flachen Kissen darauf. Sie sagte, dass sie wegen ihres Rückenleidens hart liegen müsse. Eine zum Schrank passend gekachelte Kommode, ein schmales Bücheregal an der seitlichen Wand. Wie Küche und Bad, alles peinlich sauber. Sie putzte, wie sie mir auf Nachfrage bereits erklärte, alles in ihrer Wohnung mit Glasspray und Toilettenpapier. Alle anderen Reiningungsarten lehne sie aus hygienischen Gründen grundsätzlich ab. Lediglich ihre Schränke bekamen ab und an eine Ölpolitur. Die Wände, bis auf ein gerahmtes Stoffbild und eine Kette mit einem flachen Portraitanhänger, beides aus Ebenholz, waren leer.

Irmgard bot mir einen Platz an, ich nahm die Bank und sah ihr von dort aus zu, wie sie uns in der winzigen Küche einen Tee zubereitete, sie die Vollkornkekse, die sie vorher bei uns gekauft hatte, in sorgfältigen Abständen fächerartig auf eine Teller legte. Das Fenster über mir schloss schlecht, ein kühler Zug ließ mich frösteln. Als sie zurückkam, rieb ich heftig meine Oberarme. Irmgard fing meinen vorwurfsvollen Blick auf und stellte sofort die Heizung an. Sie gab mir eine Wolljacke von sich, in der ich fast augenblicklich versank. Sie amüsierte sich darüber, wie ich mich über Tee und Gebäck hermachte und fragte mich ein wenig aus. Während sie jeden Krümel, der mir auf die Tischplatte fiel, sofort mit den Fingern aufstippte, hörte sie meinen kauenden Ausführungen aufmerksam zu. Der Keksteller war bald leer. Sie stand auf, prüfte die beiden prallen Birnen auf der Kommode auf ihrer Reife und bedauerte es, sie mir nicht anbieten zu können. Sie seien zu hart und würden wohl noch nicht schmecken. Sie fragte, ob ich noch einen Tee möchte oder vielleicht eine Wolldecke. Sie war so ungeheuer freundlich zu mir. Als ich mich verabschiedete, ihr die Hand gab, zog sie mich zu sich und drückte mich kurz.

In der nächsten Woche lud sie mich wieder ein. Ich bestand darauf, diesmal die Kekse mitzubringen. Irmgard erwartete mich mit einer gut geheizten Wohnung und einer Kanne heißen Tee. Sie nahm mir die Kekspackung ab und ging damit in die Küche. Irmgard hatte Schaumstreifen auf die Fensterrahmen geklebt. Das sah nicht schön, aber sehr zweckmäßig aus. Ich machte es mir wieder auf der Bank gemütlich, zog die Beine hoch und ließ mich von dem mittäglichen Sonnenstreifen bescheinen. Als sie zurückkam, lächelte sie mich an, meinte, ich sähe aus wie eine zufriedene Katze und schob mir den bunten, mit den Keksen gefüllten Teller zu. Ich versuchte mich zu mäßigen, hatte aber trotzdem schon bald den Teller geleert. Sie räumte ih kurz darauf ab und wischte die Tischplatte mit Glasspray und Toilettenpapier ab. Ich hätte schwören können, dass mir, weil ich besonders darauf geachtet habe, nichts aus Hand oder Mund entglitten wäre, entschuldigte mich trotzdem. Sie winkte ab, es wäre schon alles in Ordnung und fragte mich, ob ich interessiert sei, ihre künstlerischen Arbeiten zu sehen. Ich nickte. Kurz darauf kam sie mit mehreren Schachteln und einer Zeichenmappe zurück.

Ohne dass ich es hätte verhindern können, öffneten sich mir Mund und Augen weit. Rundwegs pornographische Darstellungen, zerschnitten, passgenau neu zusammengesetzt und hinter Linien von akribisch aufgeklebten Heftstreifen fixiert, zwangen sie meine Denkbahnen in ungewohnte Richtung. Brutale, schonungslose Ästhetik bot sich mir dar. Ein Frauengesicht schmiegte sich in ihre Frisur aus herabhängenden Penissen, Blütenträume aus Vulva-falten, Reihungen von Genitalien wie Soldatenecho. Ich war schockiert und begeistert. Mehr noch als über ihre Kunstfertigkeit, beeindruckte mich ihr Mut und ihre Schamlosigkeit dabei. Irmgard deutete auf eine schmale, mit einem Ornament aus Lustorganen beklebte Schachtel und fragte mich wie ich sie fände. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Sie wolle sie ihrem Freund zum Geburtstag schenken, sagte sie und sah mich erwartungsvoll an. Ich nickte bloß, stieß ein räusperndes Ja aus. Sie lachte, stellte fest, dass ich offensichtlich ahnungslos war, und sicher auch nicht wüsste, welchem Beruf sie nachging. Sie sagte mir, sie arbeite als Hure. Ich hatte mir keine Gedanken darüber gemacht und schwankte irritiert zwischen Bewunderung, meinem anerzogenen Wertekatalog und der puren Neugier. Ich entschied mich für Neugier und stellte ihr Fragen, für die ich mich bei jedem anderen geschämt hätte. Was sie anbot, wo sie es anbot, welche Art Männer kämen, oder auch Frauen, ob sie einen Zuhälter bezahlen müsste. Dass sie nicht allzu gut dabei verdiente, zeige mir ihre Wohnung, fing sie an. Sie mache viel, aber nicht alles. Was es alles gab, wollte ich so genau eigentlich gar nicht wissen, bekam es aber detailliert erklärt. Männer aus allen Gesellschaftsschichten kämen, Lesben gingen lieber zu Frauen, die sich darauf spezialisiert haben. Sie mache Termine nach Vereinbarung. In einem Bordell hätte sie in arg klammen Zeiten auch schon gearbeitet, das wäre allerdings Schinderei, die " Miete" der Zimmer und ihre Ausstattung wäre unverschämt hoch. Einen Zuhälter müsse sie nicht bezahlen, ihr Freund würde sie beschützen. Als ich fragte, ob er sie schlagen würde, lachte sie wieder und meinte lakonisch, das wäre doch bei mir genauso. Das traf mich ins Mark. Beschämt blickte ich zur Tischplatte. Sie sagte, sie sähe es mir an, aber sie würde es niemanden erzählen.

In der darauffolgenden Woche schnitt sie mir die Haare. Mein Vertrauen in Friseure war begrenzt und sie sagte mir, sie könnte das. Ich wollte sie nicht kränken und so entließ sie mich nach der Mittagspause mit einem Haarschnitt, der für einen Köpfung zweckmäßig gewesen wäre. Ihr Argument, dass Haare wieder wachsen, war genau jenes, dass Friseure anführen, wenn sie eine Frau mit einem Kurzhaarschnitt der Bürstenkategorie verunstalten.

Irmgard schenkte mir zum Trost die Ebenholzkette mit dem Portraitanhänger von der Wand. Es fiel mir schwer, sie anzunehmen, denn tatsächlich würden die Haare wieder nachwachsen. Wenigstens etwas zurückgeben wollte ich ihr. Doch so etwas Besonderes, was ich ihr hätte schenken können, besaß ich nicht und so wurde es ein Aromabad aus unserer Aktion.

Wir trafen uns oft, fast jede Woche, Irmgard und ich. Sie erzählte von ihrem Freund, den sie sehr liebte, der aber verheiratet sei. Sie zeigte mir ihre neuesten Arbeiten. Wir sprachen viel über Kunst und Kultur und was die Begriffe eigentlich heißen. Ihre volle Bewunderung galt einer Pariser Hure, die ihre berufliche Tätigkeit an sich, als Kunst betrachtete und auch so medial zelebrierte.

Irmgard besaß Poster und Fotos von ihrem Idol. Mit aufgebrachtem Dekolletee, zerzauster Hocksteckfrisur und qualmender Zigarette zwischen dunkel geschminkten Lippen, lehnte sich die Frau aus dem Fenster. In hochhackigen Pumps und einem , mit an den delikaten Stellen ausgesparten, Ganzkörperstrumpfanzug, leicht nach vorne gebeugt stehend. In unterschiedlichen Posen vor einem Spiegel, in einem Sessel, zwischen einem Türrahmen. Nur nicht in einem Bett.

Mit der Zeit passte Irmgard ihr Äußeres und ihr Gehabe mehr und mehr ihrem Vorbild an, was mich verwirrte. Ich fand, sie gab sich härter, als sie eigentlich war. Doch auch wenn ich ihre Begeisterung nicht teilen konnte, gab ich mir Mühe, ihren Ausführungen zu folgen und sie so zu nehmen wie sie war. Ich mochte sie und sie war der einzige außergeschäftliche Kontakt den ich dort hatte. Unser Treffen wurde geradezu fester Bestandteil unserer Abläufe, doch gab es keinerlei Überschneidungen zu anderen Bestandteilen unserer Leben.

Einmal steckte sie nur den Kopf aus ihrer Wohnungstür und bat um Entschuldigung, sie habe unangemeldeten Besuch bekommen.

Ich dachte, ich wäre vielleicht zu aufdringlich gewesen. Ich nahm mir vor, sie in der nächsten Woche, wenn sie wieder in den Laden kommen würde, oder ich zu ihr, danach zu fragen. Aber sie kam nicht. Auch in der Woche darauf nicht. Ich klingelte bei ihr, aber Irmgard öffnete nicht.

Ich sah sie auf meinem Weg zur Straßenbahn. Sie trug eine übergroße Sonnenbrille. Ich ging zu ihr, begrüßte sie. Sie zögerte, dann nahm sie die Brille ab und versuchte ein Lächeln. Ihre linke Augenpartie schillerte von grün nach gelb, von genähter Augenbraue bis zum Jochbein. Ich schlug meine Hand vor den Mund. Sie sagte, sie habe sich von ihrem Freund getrennt und arbeite wieder im Bordell, daher habe sie gerade wenig Zeit.

Sie tat mir so unglaublich leid und ich war wütend auf diesen Mann, der doch mit einer anderen Frau verheiratet war und meiner Auffassung nach keinerlei Ansprüche stellen durfte. Sie gab mir Recht, aber das wäre jetzt auch alles Schnee von gestern.

Sie danach zu fragen, ob ihr meine Besuche zu viel gewesen wären, obgleich sie mich jedes einzelne Mal dazu eingeladen hatte, fiel mir erst danach ein. Es vergingen Monate, bis ich sie wiedersah.

Unvermittelt stand Irmgard im Laden. In roten hochhackigen Stiefletten, lila Netzstrumpfhose und Minirock unter dickem Gürtel, darüber eine weitgeöffnete Rüschenbluse. Ihr Haar trug sie betont zerzaust hochgesteckt, die Augen schwarz und die spröden Lippen kirschrot geschminkt, eine glimmende Kippe im Mundwinkel.

Die Alten, die meinen Umgang mit ihr ohnehin missbilligten, raunten mir zu, dass ich meine Privatgespräche außerhalb der Geschäftszeiten zu führen hätte.

Irmgard bewegte sich nicht vom Fleck, lud mich ein, sie wieder einmal zu besuchen.

Ich duckte mich innerlich weg, fand ihren Aufzug einfach nur schlimm und heruntergekommen, nahm sie am Arm und ging mit ihr nach draußen.

Sie wiederholte ihre Einladung, nestelte fahrig in ihrer Frisur. Sie sagte, sie wäre jetzt wieder mit ihrem Freund zusammen und hätte nun auch wieder mehr Zeit. Feige sagte ich zu, ging aber nicht hin. In den Laden kam Irmgard nicht mehr.

Nur einmal noch, sah ich sie aus der fahrenden Straßenbahn heraus. Auf dem Fahrrad. Ich wusste nicht genau, ob sie es war. Ich hätte aussteigen können, in die Gegenrichtung umsteigen, ihr nachfahren, mich überzeugen können. 

 

Der Knopf

Ich erinnere mich noch gut an den Tag, an dem er zu uns stieß. Wie frischer Schnee, den der Wind durch die offene Tür hinein geweht hat. Wie er so unvermittelt auftauchte, zauberte er sogar den Grimmigsten unter uns ein Lächeln ins Gesicht. Wie er das machte, blieb sein Geheimnis. Vielleicht war es seine Lebendigkeit. Dabei könnte man gar nicht sagen, dass er besonders mit Charme ausgestattet, oder seine äußere Erscheinung besonders reizvoll gewesen wäre. Wenn man von seinem warmen Blick und einer irritierenden Kleinigkeit an seiner Kleidung absieht.

Ich weiß noch, wie sich einer nach dem anderen von uns die Brille aufsetzte und verstohlen auf die Hemdknopfleiste des Neuankömmlings starrte. Es war ein ganz normales Hemd, eines wie es überall zu kaufen gab. Doch der dritte Knopf unter dem Kragen, den er offen trug, war nahezu doppelt so groß wie die anderen Hemdknöpfe. Außerdem war er nicht wie die Übrigen weiß, sondern braun gefasert. Aus Holz war er. Eiche oder so etwas, erzählte er mir später. Seine Frau habe ihn angenäht. Ich hielt ihm entgegen, dass dieser Knopf nicht mehr durch das zugehörige Knopfloch passen würde. Er lachte erschreckend laut und herzlich, und meinte, dass wäre vermutlich genau das, was seine Frau damit wohl bezwecken wollte. Ich verstand gar nichts.

Er erzählte mir, wie er damals im Wartezimmer eines Zahnarztes saß. Reichlich nervös war er. Über sieben Jahre war er nicht mehr zur Kontrolle, geschweige denn in Behandlung gewesen. Er nestelte an seinem Hemd herum, malte sich die unterschiedlichen Diagnosen aus und drehte seinen Hemdknopf an der Herzgegend immer wieder im Uhrzeigersinn stramm und ließ ihn wieder los. Bis es leicht knackte. Er hat den Knopf kaputt gedreht. Erschrocken hielt er die abgebrochene Hälfte zwischen Daumen und Zeigefinger und überlegte, ob dies nicht ein schlechtes Zeichen wäre und er sich besser auf das Schlimmste gefasst machen sollte. Man bedenke, im Wartezimmer eines Zahnarztes fällt es nicht leicht, optimistisch zu bleiben. Aber dann passierte etwas, damit hätte er im Leben nicht gerechnet. Eine Frau beugte sich über ihn, fragte, ob sie ihm einen Knopf annähen dürfe. Ein breites Lächeln entblößte ihr tadelloses Sonntagsgebiss. Dass er überrascht gewesen wäre, sei noch stark untertrieben, antwortete er auf meine Frage. Und ja, er habe das Hemd ausgezogen, die Frau habe es an sich genommen und dabei ausgesehen, als zöge sie das Hauptgewinnerlos.

Sein Name wurde aufgerufen. Sie sagte noch, dass sie sicher fertig wäre, bis er wieder heraus kommen würde. Er wusste nicht, ob sich die Aussage auf seinen Zahnstatus oder ihrer Fähigkeit Knöpfe anzunähen bezog, aber das sei auch egal gewesen. In der Hauptsache dachte er an ihr Lächeln und den verschmitzten Blick. Sie war nicht eben klein, aber auch nicht groß, ungefähr so wie er. Einen komischen Haarschnitt, aber schöne Hände. Nette Figur. Und witzig muss sie sein und ein bisschen irre. Wer ist schon darauf vorbereitet fremden Menschen einen Knopf anzunähen? Ihm wäre keiner so richtig eingefallen.

Den Anweisungen des Zahnarztes Folge zu leisten fiel ihm schwer und als er zum Röntgen geschickt wurde, stürmte er gleich ins Wartezimmer zur Frau mit den schönen Zähnen. Sie wurde gerade aufgerufen.
Sie wirkte plötzlich unbeholfen, drückte ihm sein Hemd in die Hand. Der rustikale Knopf anstelle des alten, kaputten warf ihm ein Fragezeichen ins Gesicht. Sie drehte sich einfach um und ging ins eines der Behandlungszimmer.
Eine Angestellte in weißen Beinkleidern führte ihn in den Röntgenraum. Es waren die längsten fünf Minuten seiner Lebens. Er habe Glück gehabt, erzählte er mir, er sollte noch einen Moment im Wartezimmer Platz nehmen. Als sie herein kam und ihn sah, habe ihr strahlendes Lächeln ihn umgehauen. Nur gut, dass er schon saß.
Ja, sagte er, sie habe ihm geholfen, das Hemd überzuziehen und ließ sich auch zum Kaffee einladen. Ein gutes Jahr später wurde sie dann seine Frau. Zur Hochzeit schenkte sie ihm ein Blatt mit einer Geschichte über einen Knopf. Den Knopf, so erzählte ihm später seine Frau, habe sie von Einer bekommen, die diese Geschichte geschrieben hatte und dazu die Aufgabe erhalten, eben jenen Knopf, Nadel und Faden immer bei sich zu haben und Ausschau zu halten, nach einem Mann, dessen Knopf abhandengekommen ist.
Es wäre eine recht eigenartige, aber doch wirksame Methode gewesen, dass müsse selbst ich zugeben, meinte er. Ich nickte ein bisschen neidisch, ob dieser ungeheuerlichen Geschichte mit einer fast schon unwirklichen Romantik.

 

 

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