Gott in der Ökologie! 

„Schöpfungstheologie und Umweltethik im Anthropozän“

21.09.2023 Hamburg, Symposium „Schöpfungstheologie und Umweltethik im Anthropozän“. Dem Akademieleiter der Ev. Nordkirche, Dr. Herrmann und seinen Gästen gelang der Wissenstransfer neuer theologischer Impulse und ihren Handlungsräumen, in denen wir uns spielerisch oder zielgerichtet bewegen können. Inspirierende Ausblicke auf eine Theologie der Ökologie.
 

Dr. Jörg Herrmann führte ins Thema ein.

Der Begriff Anthropozän wurde zu Beginn der 2000er von Paul Crutzen, dem Nobelpreisträger für Chemie, geprägt. Das Zeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist. Als Parameter wurden Referenzwert, Marker und die Zeitangabe bestimmt.
Hierfür wurden die Ergebnisse von Probebohrungen herangezogen.
Als Referenzwert gelten die Ablagerungen in den Crawford-Sees in Canada. 
Als Marker sind weltweit verteilten Plutoniumanteile genannt.
Die Zeitangabe liegt bei 1945, mit dem Beginn der Atomwaffentest.
Die Alarmierung der Wissenschaft ist schließlich in der Gesellschaft angekommen.
Die Bewegung „Fridays for Future“ und „Letzte Generation“ zeigen in ihrer Verzweiflung und dem bestehenden Konfliktpotential, die soziale Dimension der Klimapolitik, für die nötige Transformation.

Vier Impulsvorträge beleuchteten die Ökologie in der Theologie und welchen Beitrag Kirche leisten kann.


 

Prof. Dr. Klaas Huizing 

Prof. Dr. Klaas Huizing schlägt den Bogen eines hybriden Denkens von Prophetie und Weisheit. Als Ziel benennt er die Transformation zu einem guten Kompromiss.

Prof. Huizing nennt drei Berufsgruppen im Alten Testament:
Den Propheten, die Prophetin, für das Wort.
Die Weisheit, in Verbindung mit Königen wie Salomon und David, als personifizierten Rat. 
Die Gerechtigkeitslehre vertreten durch das Priestertum.

Er zieht die Kain und Abel-Geschichte heran. In Gen 4,7 warnt Gott Kain vor der ruhenden Sünde vor der Tür.. Kain kann sich noch anders entscheiden, anders handeln. Er hat die Wahl und lässt doch seinem Zorn freien Lauf. Doch Gott ist auch nach der Tat großzügig. Kain bekommt sein Kainsmal als einen Rache-Stopper. Auch Jesus am Kreuz, wirkt in der Vergebung. 
Damit spricht sich Klaas Huizing gegen eine Erbsünde aus, dass der Mensch nun grundsätzlich schlecht sei, sondern er die Wahl hat.

Prof. Huizing betont die Kraft der Erzählung, in der Zeichenhandlung. Der Prophet Jesaja, geht in Jes. 20,3 drei Jahre nackt durchs Land und erdultet Schmach als eine Vorhersage der Demütigung der Elite, die mit nacktem Hinterteil ins Exil verbannt wird. Ähnlich eindrücklich wie die Propheten Hosea und Amos agierten.
In dieser Tradition sieht Prof. Huizing die frühe Phase von Greta Thunbergs „How dare you!“.

Ihre Transformation, von der Prophetie zur Weisheit sieht er im „Klimabuch“ vollzogen. Thunberg ist als Bildungsverweigerin zur Herausgeberin von Beiträge aus der Wissenschaft zur Klimakrise transformiert.
Doch Vernunft regiert eben nicht, sie prüft nur auf ihre Erfahrung und Lebensdienlichkeit.
Hybride Argumente müssen kompromissbereit sein.  Und auch wenn ein Kompromiss Opfer fordert, ist er dennoch einem Krieg vorzuziehen.
Nicht die Fünf-vor Zwölf-Metapher weiter zu verschleißen, sich lähmen zu lassen, sondern in der Hoffnung kreativ zu werden. 
Diese Hoffnung muss sich beweisen:
Das was ist, anzuerkennen und zu benennen.
Wissen, was zu tun ist.
Wissen, was nicht zu tun ist.

Es heißt auch, sich den Heiligkeitsmoment einzuverleiben, um überhaupt Transformation zu generieren.

Zu spielen, übersetzt zu tanzen, von und für Gott. In der christlichen Nachfolge der Gemeinschaft und des Teilens, das einen Verzicht beinhaltet. Die Entscheidung zu handeln und gleichzeitig, in der Ohnmacht Gott für sein Handeln den Raum zu geben

 


Prof. Dr. Thorsten Moos 

Prof. Dr. Thorsten Moos sieht den Menschen in der Schuld, aber auch in der Lage, darin zu handeln. 
In Psalm 8 wird der Mensch durch Gott zum Herrn der Erde erklärt. Er ist der Kooperator Gottes.
Das intentionale Verständnis ist, da wir sehen was ist, wir auch am Steuer sind, trägt nicht. Es folgt die Ohnmachtserfahrung. Das wird schon in Genesis 2,15 erzählt, bei dem Rauswurf aus dem Garten Eden.
Der Garten, ein begrenzter Ort. Grenzen die wir weiterziehen.
Die Schuld wird mitgenommen.
Heute leben wir in einer globalisierten, entgrenzten Welt und haben doch nur begrenzte Möglichkeiten.
Thorsten Moos bezweifelt die Fähigkeit der Menschheit, als Kollektiv intentional zu handeln, doch beruft er sich auf ein Weltvertrauen.
Die Welt ist bedeutungsvoll, sie ist sehr gut, wie es in Genesis 1, 32 heißt. Darin ist Vertrauen geborgen.

Mutig ausprobieren. Das hochadaptive Handeln ist erforderlich. 
Statt eine Humanität ist eine Solidarität zu entwickeln.
Der Trost ist als Stellvertreter der Hoffnung zu begreifen. 
Der Mensch bleibt in einer bedeutenden Welt.
 

 

Prof. Dr. Katharina Wörn

Prof. Dr. Katharina Wörn zeigt eine Graphik der Überschreitung des sicheren Handlungsraumes der Menschheit auf diesem Planeten und fragt nach dem Beitrag der Theologie in der Umweltethik. Sie benennt die Dezentralisierung des Menschen und seine gleichzeitige Verletzlichkeit und Abhängigkeit von seiner Umwelt. 
Katharina Wörn zieht den 2. Vers der Bibel heran, in dem der Geist Gottes über dem Tohuwabohu, der Tiefe, die Urflut, dem Chaos schwebt.
Cathrin Keller, die der Prozesstheologie zugeordnet ist, beschreibt mit ihrem Buch zur Schöpfung aus der Tiefe oder die Liebe zum Chaos eine Welt, in der ein kleiner Fisch nicht entflieht, sondern resolut in aller Grazie darin schwimmt. 
Prof. Wörn führt die Ordnung des 5. Schöpfungstags an, die sich nicht von außen aufzwingt, vielmehr aus dem Chaos selbst entsteht. Das Autorentrio von „Deep Incarnation“ oder „planetarische Gemeinschaft“ beschreibt ebenfalls eine Schöpfungstheologie, die in der Gegenwart Platz nimmt. 
In der Prozesstheologie, die in den USA sehr verbreitet ist, wirkt Gott in seine Schöpfung fortdauernd hinein. Die Allgegenwart Gottes in der Erlösung aller Kreaturen. 
Der Heiligen Geist, der für uns seufzt, wie es im Römerbrief 8 steht. 
In der Welt, als ein Körper Gottes, wie es Sally McFague beschreibt, ist eine Kenosis, die „Leerwerdung“, die „Entäußerung“, als stärkende Basis für eine Selbstbeschränkung zu verstehen. Das Moment der Hinhabe, wie sie uns vor allem am Kreuzestod Jesu ersichtlich ist.
Darin zeigt sich die Solidarität zu allen Wesen. 

 

 

Dr. Lukas Tank 

Dr. Lukas Tank stellte zunächst die Theodizeefrage nach David Hume und fragt, ob bei den Schöpfungstagen 4 und 5 wirklich alles gut war.

Anschließende zeigt er zwei spannende Perspektiven auf. 
Es ist gut, dass es eine vom Menschen nicht dominierte Natur gibt.
Die vom Menschen undominierte Natur ist ein Ort  voller Leid und Grausamkeit.

Die Vertreter der ersten Perspektive fordern, das Leid als Teil des Lebens, der Natur zu akzeptieren. 
Für die zweite Perspektive nennt Dr. Tank die einflussreiche Vertreterin Martha Nussbaum. Sie spricht sich für eine Tierethik aus, als eine Pflicht, bewusstseinsfähigen Tieren ein gedeihendes Leben zu ermöglichen. Das können Zäune sein, Verhütungskampagnen und zumindest das Anerkennen des Raubtieres als Problem. Zugleich unterstreicht sie die empirische Unsicherheit ihrer Daten, die sie zur Argumentation heranzieht.

Lukas Tank sieht in der Spannung beider Perspektiven eine fundamentale Bedeutung für unser Welt- und Menschenbild. 
So stellt sich die Frage, ob das Anthropozän zu bedauern ist oder nur richtig gemanaged werden muss, als moralisch geboten. Ist der Klimawandel das Endziel, wieder in einer Welt zu leben, in der es „das Klima“ gibt? Oder sollen wir dauerhaft das uns zuträgliche Klima schaffen?

Wir Menschen stehen innerhalb der Spannung beider Perspektiven.  
 

 

Fazit

Theologie und vor allen Dingen die biblischen Geschichten schenken Orientierung und wirken sinnstiftend. Gerade in der Not.
In der Verzweiflung und Ohnmacht schenken biblische Prophetenerzählungen Orientierung und die Kraft durchzuhalten.
Zugleich ist es doch eine gute Nachricht, dass diese Welt bedeutungsvoll ist und wir uns als Teil davon erleben dürfen. Darin liegt Trost und Hoffnung.
Ob schuldig oder nicht, stehen wir als bewusstseinsfähige und handlungsfähige Individuen, die sich immer neu zusammenschließen, in der Verantwortung unsere Lebensgrundlage zu schützen.
Ob nun spielerisches oder gezieltes Handeln, sehen wir erst in der Rückschau die tatsächlichen Auswirkungen von Maßnahmen. 
Es braucht Mut, die Realität anzuerkennen und Entschlossenheit, um zu handeln, obwohl die eigenen Möglichkeiten begrenzt sind. 
Es braucht Selbstbeschränkung, als eine Solidarität mit allen Wesen dieser Erde.
Es braucht Großzügigkeit anderen gegenüber. Es braucht Versöhnung, einen guten Kompromiss, dem sich mehr und mehr anschließen.
Vor allem braucht es die Zuversicht, dass es gut ausgeht. Es braucht Optimismus.
Musik und Tanz erzeugen Optimismus. Er macht nicht blind, er macht Mut.

Die Propheten hatten das Wort. 
Die Wissenschaft lieferten die Beweise und gaben ihre Instruktionen.
Es ist an der Gerechtigkeit, Aufgaben und Konsequenzen zu verteilen. 
Die Kirchen mit ihrer Kernkompetenz der Seelsorge, die aus der frohen Botschaft erwächst, kann ausgleichen und befrieden. Eine gute Grundlage für eine Versöhnung der Menschen mit der Welt.


Weitere Mitwirkende des Symposiums waren Pastorin Renate Fallbrüg, als Leiterin der Kirchlichen Mission in der Arbeitswelt (KDA), der Umweltpastor Jan Christensen und Annika Ritttman als Aktivistin von Friday for Future.

 

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